Politik

Wieder Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Kassel

Stadt verbietet erneut


"Freie Bürger Kassel" rufen auf (Quelle: heldmann.photography)
Kundgebung am Samstag wurde verboten
(Quelle: Screenshot telegram)
GDN - Die so genannten „Freien Bürger Kassel“ rufen erneut zu einer Demonstration gegen die Corona-Politik in die nordhessische Großstadt auf. Dabei beziehen sie sich auf die Großdemonstration am 20. März in der Stadt. Die Stadt Kassel hat die Versammlung untersagt.
Nicht genehmigte Großdemo am 20. März
Quelle: heldmann.photography
Die nur als „Sunny“ auftretende Sprecherin der „Freien Bürger Kassel“ hatte schon im März den Zug von rund 20.000 Menschen durch die Stadt als „Erfolg“ gefeiert. Diese Demonstration war vom Verwaltungsgerichtshof explizit verboten worden. Genehmigt war lediglich eine stationäre Kundgebung am Rand der Innenstadt, die dort auch stattfand. Da aber weit mehr als die dort erlaubten 6000 Menschen dem Aufruf nach Kassel gefolgt waren, entwickelte sich eine Eigendynamik, die nicht mehr kontrolliert werden konnte. (GDN hat im März ausführlich dazu berichtet.)
Wenig Teilnehmer und Aufruf zur Gewalt
Quelle: heldmann.photography
Ebenfalls berichtete GDN über das Verbot eine als „Mitsommer in Kassel“ bezeichneten, geplanten Versammlung im Juni auf dem Friedrichsplatz. Sie fand nicht statt, stattdessen trafen sich etwa 15 bis 20 Personen um die Veranstalter im Freizeitgelände Fuldaauen, um unter Aufsicht starker Polizeikräfte dort zu picknicken. Derweil demonstrierten ähnlich viele Personen auf zwei vom VGH genehmigten „Gegendemonstrationen“ in der Innenstadt. Dieses Mal hat die Stadt Kassel übrigens die Gegenveranstaltungen, darunter eine auf dem Königsplatz, nicht verboten. Dies, obwohl es bei einer der Gegenveranstaltungen im Juni Gewaltaufrufe gab (GDN berichtete).
RA Ludwig, Ballweg und "Sunny"
Quelle: Screenshot Querdenken-711.de
„Sunny“ scheint inzwischen gut vernetzt zu sein. Während noch im März vehement von ihr bestritten wurde, die „Freien Bürger“ hätten etwas mit Querdenken zu tun, zeigt sich jetzt eine etwas andere Situation. Vor einigen Tagen hat sich „Sunny“ gemeinsam mit Michael Ballweg von „Querdenken711“ vom Szeneanwalt Ralf Ludwig interviewen lassen. Ballweg ist Hauptverantwortlicher für eine geplante Großdemonstration am 1. August in Berlin, also nur eine Woche nach dem Kasseler Termin. Dies hatte in den einschlägigen Kanälen schon für Irritationen gesorgt. Es wurde von einer Konkurrenzveranstaltung in Kassel gesprochen. Doch Ballweg und „Sunny“ zeigten sich einig. „In Kassel findet der Aufgalopp für Berlin statt“, umriss Ballweg den Zusammenhang. Und so sah es auch „Sunny“ in dem Interview. Damit scheint klar: Auch wenn die „Freien Bürger“ nicht Teil von „Querdenken“ sind, sind sie enge und strategische Bündnispartner.
Solche Situationen vermutete das VG Kassel wohl
Quelle: heldmann.photography
Unter anderen darauf bezieht sich wohl auch die Stadt Kassel mit ihrer Verbotsverfügung. Anders als zuvor hat die Stadt zwar in ihrer Pressemeldung am Mittwoch ihre Gründe für das Verbot nicht benannt, sie gehen aber aus dem Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Kassel hervor, dass am gleichen Tag das Verbot bestätigt hat. „Das Verwaltungsgericht Kassel hat mit Beschluss vom heutigen Tag den Eilantrag der Anmelderin der Versammlung und des Aufzuges „Für Frieden, Freiheit, Menschenrechte und für eine geschlossene Gesellschaft“ gegen eine Verbotsverfügung der Stadt Kassel abgelehnt.“, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, die Stadt Kassel „habe eine hinreichend tragfähige Gefahrenprognose getroffen. Sie führe nicht nur auf Basis bloßer Vermutungen, sondern auf der Grundlage ausreichender Erkenntnisse zu Recht an, dass die Antragstellerin und die zu erwartenden Teilnehmer der sog. Querdenker-Bewegung angehörten. Die Antragsgegnerin stütze sich hierbei insbesondere auf eine umfangreiche Gefährdungslagenbewertung des Polizeipräsidiums Nordhessen und die Erfahrung mit vergleichbaren – teilweise verbotenen – Veranstaltungen am 20. März 2021, insbesondere im Zusammenhang mit Auflagenverstößen.“ Weiter heiß es: „Soweit die Antragstellerin moniert hat, die zeitlichen Abstände rechtfertigten es nicht, auf Erfahrungen vom März 2021 zurückgreifen, hat die Kammer darauf hingewiesen, dass in der Öffentlichkeit die aktuell geplante Versammlung gerade unter Bezugnahme auf die Ereignisse im März 2021 öffentlich beworben werde. Daher sei es rechtlich nicht zu beanstanden, dass auch die Antragsgegnerin darauf abgestellt habe. Weil die Auflösung der Versammlung daher absehbar wäre, dürfe die Versammlungsbehörde diese auch präventiv verbieten.“
VGH-Entscheidung steht noch aus
Quelle: heldmann.photography
Es wäre durchaus interessant, ob das Bundesverfassungsgericht eine solche extensive Auslegung des Versammlungsrechts mit einem putativen Verbot aufgrund einer Annahme, es käme ohnehin zu einer Auflösung der Versammlung, für verfassungsgemäß hält. Dazu aber müsste „Sunny“ das oberste Gericht anrufen. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat jedenfalls im Juni in einem Beschwerdeverfahren eine inhaltlich gleiche Begründung akzeptiert. Bis Redaktionsschluss dieses Artikels lag die Beschwerdeentscheidung des VGH noch nicht vor.
Wieder massiver Polizeieinsatz (wie hier im Juni)
Quelle: heldmann.photography
Die Polizei plant wohl einen ähnlich massiven Einsatz wie bei der verbotenen Versammlung vor fünf Wochen. „Aufgrund einer im Rahmen von Corona-kritischen Versammlungen nur schwer zu prognostizierenden, dynamischen Teilnehmerzahl wird die Polizei am kommenden Samstag mit einer großen Anzahl von Polizeikräften vor Ort sein.“ Erneut wird der Auedamm gesperrt. Dies hat die Museumslandschaft Hessen Kassel veranlasst, ihre Museen und die Insel Siebenbergen in der Karlsaue am Samstag geschlossen zu lassen. Auch die Bundespolizei hat eine verstärkte Präsenz angekündigt. "Für die Sicherheit der Bahnreisenden, insbesondere in und aus Richtung Kassel, werden wir verstärkt präsent sein!", sagte der Polizeiführer der Bundespolizei, Erster Polizeihauptkommissar Rafael Gorzel.
"Sunnys" Plan B wurde von der Stadt vereitelt
Quelle: Screenshot telegram
Interessant ist übrigens, wie die Anmelder, namentlich „Sunny“ auf das Verbot reagiert haben. Während die Frankfurter Rundschau online noch über einen vermeintlichen „Plan B“ spekulierte, der zum Tragen kommen könne, wenn das Verbot Bestand habe, hatte „Sunny“ die Alternative zur eigenen (und teuren) Kundgebung auf dem Vorplatz des Kulturbahnhofs bereits geschildert. Sie und einer ihrer Mitveranstalter verwiesen auf eine von Freitag bis Sonntag auf dem Friedrichsplatz stattfindende Veranstaltung unter Verantwortung der Stadt Kassel und riefen dazu auf, daran teilzunehmen. Dem hat allerdings nun ihrerseits die Stadt einen Riegel vorgeschoben und die Veranstaltung für dieses Wochenende abgesagt. Es bleibt weiter spannend, wobei die eher mäßige Resonanz in den Telegram-Kanälen ohnehin keine großen Teilnehmerzahlen im vierstelligen Bereich erwarten lässt. Selbst einer, der sein Kommen angekündigt hat, meinte: „Hoffentlich werden es mehr als hundert.“
Ergänzung vom 23.7.2021
Inzwischen hat der VGH das Veranstaltungsverbot bestätigt und dies ähnlich begründet wie die Vorinstanz. Zudem meint er, dass "dass sich Versammlungsteilnehmer ohne Einhaltung der Masken- und Abstandsgebote in Geschäften und Gaststätten der Kasseler Innenstadt aufhalten und durch ihr aggressives Verhalten unbeteiligte Dritte sowie den öffentlichen Frieden gefährden würden."
"Sunny" dürfte das ins Konzept passen. Sie und Ilhan riefen am Donnerstagabend in einem kurzen Video bereits dazu auf, den Rummel "Sommerspaß" zu besuchen. Und sie empfahlen einen Besuch der Veranstaltung "Klardenken statt Querdenken" die von der "Antifaschistischen Aktion" auf dem Königsplatz am 11 Uhr als Gegenveranstaltung zur nun verbotenen Kundgebung geplant ist.
Nun wurde das BVerfG angerufen
Quelle: Screenshot telegram
Inzwischen hat die Anmelderin auf ihrem Telegram-Kanal mitgeteilt, sie habe das Bundesverfassungsgericht angerufen. Dies ist der einzige verbleibende Rechtsweg, um das Versammlungsverbot der Stadt Kassel noch zu kippen. Ob das BVerfG noch vor Samstagmittag eine Eilentscheidung treffen wird, bleibt abzuwarten. Derweil hat die Polizei, wie angekündigt, den Auedamm und damit die Zufahrt zur Karlsaue abgesperrt. Am Hauptbahnhof und am Friedrichsplatz wurden Absperrgitter bereit gestellt. Am Samstag dürfte es in der Kasseler Innenstadt beschwerlich werden, sich mit dem Auto zu bewegen. Auch der ÖPNV dürfte wieder beeinträchtigt werden. Ob sich das wirklich lohnt? Nach der Resonanz in den einschlägigen Telegramkanälen haben nur wenige Externe angekündigt, nach Kassel zu reisen. Zwar wurde von einem der Kasseler Administratoren mitgeteilt, Bodo Schiffmann komme mit seinem Infobus von Sinsheim nach Kassel. Verifizieren lässt sich das nicht.
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